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  • AutorenbildJana Lucas

Wie Kunst hilft, in Krisen besser zu kommunizieren

Viele Menschen reagieren auf das Coronavirus wie auf ein irritierendes, surreales Gemälde, das verstört und sich schwer einordnen lässt. Doch gerade bei unbequemen Bildern, Installationen oder Fotografien lohnt es sich, genau hinzuschauen, um in anspruchsvollen Situationen adäquat reagieren zu können.



Gemälde
Pieter Brueghel d. J., Triumph des Todes, Öl auf Eichenholz, 123.3 x 166.5 cm, 1608 (?), Kunstmuseum Basel.

Wenn ich Gruppen im Basler Kunstmuseum den ‚Triumph des Todes‘ von Pieter Brueghel d. J. (1564/65–1637/38) zeige, reagieren die Workshopteilnehmenden mit drei verschiedenen Verhaltensweisen. Die einen schauen nur kurz auf das zugegebenermassen sehr grausame Gemälde und wenden sich dann ‚schöneren‘ Bildern im Raum zu. Andere sagen, dass das Gemälde trotz der vielen toten Menschen und der Armee von Skeletten ein gemütliche Stimmung ausstrahle und in keinster Weise unheimlich sei. Und schliesslich gibt es diejenigen, welche die vielen Toten und erfindungsreich dargestellten Todeskämpfe benennen, alle Details genau betrachten und sogar die in der linken oberen Ecke an dem kahlen Baum hängenden Glocken läuten hören.


Mit den Reaktionen auf den ‚Triumph des Todes‘ verhält es sich wie mit den unterschiedlichen Kommentaren zum Coronavirus. Obwohl wir alle vor derselben Situation stehen, schwankt die Stimmung zwischen Panik, Ironie und Verharmlosung. Statements wie „das Virus ist nur ein Virus und eine Angst in unseren Köpfen“, „das ist doch nur ein kleiner Schnupfen“, „auch nicht schlimmer als eine Grippe“, „mit den steigenden Temperaturen im Frühling verschwindet alles wieder“, bis „mir macht die Situation wirklich Angst“ illustrieren die Bandbreite der Gefühle. Passend zur Einschätzung der Lage fallen die Reaktionen aus. Einige sind sehr erstaunt darüber, dass ich weder die Hand reiche noch mich mit einer freundschaftliche Umarmung begrüssen lasse, andere sagen Treffen und Businesslunches ab, stornieren Reisen oder treten freiwillig sowie ärztlich verordnet das Homeoffice an.


Doch welche Reaktionen sind der aktuellen Krisensituation angemessen? Um diese Frage zu beantworten, nützt es, wie bei einer Bildbeschreibung vorzugehen und die Lage sachlich und auf Grundlage des zur Verfügung stehenden Wissens zu beschreiben. Beim ‚Triumph des Todes‘ sehen wir eine Armee von Skeletten von rechts in das Bild ziehen. Im Vordergrund töten einzelne Skelette Menschen aller Stände. Einem Mann bohrt ein Skelett ein Messer in die Kehle, ein anderer wird mit einem Mühlstein am Hals ins Wasser gestossen, ein weiteres Skelett setzt mit der Sense zum Schlag an. Den Grossteil der das Bild bevölkernden Menschen jedoch schieben die Skelette lebendig in einen länglichen Kasten. Vereinzelt gelingt es noch einigen Menschen, sich zu verstecken oder sich gegen die Skelette zur Wehr zu setzen. Der Mittelgrund ist eine karge Landschaft, in der Szenen der Zerstörung stattfinden. Hingerichtete hängen an Galgen und auf Pfählen montierten Rädern. Und im Hintergrund treibt ein Wrack im Wasser.


Übertragen auf das Coronavirus sieht die Beschreibung so aus: Ganz Italien unterliegt einer Ausgangssperre, italienische Krankenhäuser arbeiten an den Grenzen ihrer Kapazität, Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind in hochentwickelten Ländern wie in der Schweiz und in Deutschland stellenweise nicht mehr vorhanden, in Spanien steigen die Zahlen der Infizierten sprunghaft, viele Länder schliessen ihre Bildungseinrichtungen, Veranstaltungen werden trotz hoher finanzieller Verluste abgesagt, die WHO hat Covid-19 zur Pandemie erklärt und das Virus breitet sich exponentiell aus. Aus diesen Tatsachen kann man mit gesundem Menschenverstand schlussfolgern, dass das Coronavirus gefährlicher als ein gewöhnlicher Schnupfen ist und dass man zum Schutz aller das eigene Verhalten anpassen sollte.


Und wie bei dem Gemälde von Pieter Brueghel d. J. gibt es Dinge, die wir nicht wissen. Brueghels Bild ist eine Kopie nach dem im Prado aufbewahrten ‚Triumph des Todes‘ seines Vaters, Pieter Bruegel d. Älteren (um 1525/30–1569). Für welchen Auftraggeber und welchen Standort die berühmte Originalversion ursprünglich bestimmt war, ist nicht bekannt. Genauso wenig können wir als Virus-Laien mit Gewissheit sagen, wie sich das Coronavirus in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird. Umso wichtiger ist es, dass jetzt alle Verantwortung übernehmen.


Auch ohne das Coronavirus stehen wir in unserem Arbeitsalltag fast täglich vor Herausforderungen, die fatale Folgen haben können, wenn wir nicht versiert mit ihnen umgehen: Schwierige Kundenkontakte, Auseinandersetzungen mit dem Vorstand, komplizierte Gespräche mit Kolleg*innen oder die Konfrontation mit schlechten Umsatzzahlen sind nichts Aussergewöhnliches. Als Unternehmer*innen, Führungskräfte, Politiker*innen und Krisenmanager*innen sollten wir darin geübt sein, diesen schwierigen Situationen zugewandt zu begegnen und effektiv zu kommunizieren. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, der Wahrheit ins Auge zu blicken und in der Lage zu sein, über jedes relevante Thema sprechen zu können. Auch über das, was unangenehm, ungewöhnlich oder beunruhigend ist. Denn nur weil wir Dinge ignorieren, die uns beängstigen, werden sie nicht verschwinden.


Kunst ist das perfekte Medium, um zu lernen, in täglichen wie in aussergewöhnlichen Krisensituationen zu kommunizieren. Wenn Sie das nächste Mal ins Museum gehen oder eine Onlinesammlung erkunden, bleiben Sie vor hässlichen Personen, deformierten Körpern, Leichen, Totenköpfen und Kunstwerken, von denen Sie sich am liebsten abwenden würden, bewusst stehen. Schauen Sie dem Unbequemen ins Gesicht und beschreiben Sie das Bild in allen Details. Benennen Sie, was Sie sehen und nicht, was Sie denken. Halten Sie sich an die Fakten, trennen Sie die Fakten von Ihren Gefühlen und hinterfragen Sie Ihre Interpretationen. Je mehr wir trainieren, jene Dinge zu kommunizieren, die sich unangenehm anfühlen, desto besser werden wir sie im Alltag lösen können.


Mehr Informationen zu Executive Trainings und Workshops zum Thema Kunst, Unternehmen und Kommunikation auf janalucas.ch sowie auf Anfrage.




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